Beachte bitte folgendes Urteil:
SG LEIPZIG S 9 405/05 ER v 16.08.05
(Auszug)
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert - mit ein paar wenigen Ausnahmen, die hier keine Rolle spielen - als Einkommen zu berücksichtigen, Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) zu § 76 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), das Einkommen ebenfalls als Einkünfte in Geld und Geldeswert bezeichnete, sind Einkommen alle Einnahmen, Zahlungen, Zuflüsse, Zuwendungen und andere Leistungen. Im Gegensatz zu Vermögen, dem Inbegriff all dessen, was einem Rechtsträger schon zusteht, was er (bereits) hat, ist Einkommen demnach dasjenige, was er (erst/gerade) erhält, was sein Geld oder seine geldwerten Mittel vermehrt (BVerwG, Urteil vom 18.02-1999 —5 CD 35/97), so genannte Zuflusstheorie. Einkommen ist demnach alles das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat. Mittel, die der Hilfesuchende (erst) in der Bedarfszelt erhält, sind als Zufluss in der Bedarfszeit Einkommen. Mittel, die der Hilfesuchende früher, wenn auch erst in der vorangegangenen Bedarfszeit, als Einkommen erhalten hat, sind, soweit sie in der nun aktuellen Bedarfszeit (noch, gegebenenfalls auch wieder) vorhanden sind, Vermögen. Dabei ist Bedarfszeit die Zeit, in der der Bedarf besteht und (grundsätzlich rechtzeitig) zu decken ist. Zur Frage, wann etwas zufließt, ist grundsätzlich vorn tatsächlichen Zufluss auszugehen. Allerdings kann abweichend vom tatsächlichen Zufluss rechtlich ein anderer Zufluss als maßgeblich, bestimmt werden (BverwG a.a.O.).
Zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nach dem, was zufließt und dem was bereits vorhanden ist, ist weiter zu berücksichtigen, dass Einnahmen grundsätzlich aus bereits bestehenden Rechtspositionen erzielt werden (hier; Steuererstattung als Erfüllung des Steuererstattungsanspruches). Da eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete (noch nicht erfüllte) Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstellt, gehört sie, wenn sie dem Inhaber bereits zusteht, zu seinem Vermögen.
Die Auszahlung einer Steuererstattung ist nach der Rechtsprechung des BVerwG ein Zufluss im Sinne des § 76 Abs. 1 BSHG und somit Einkommen. Der Zuordnung als Einkommen im Jahr der Auszahlung steht nach Auffassung des BVerwG nicht entgegen, dass Grund für die Steuererstattung die zuviel entrichtete Steuer im Vorjahr sei. Auch wenn bereits dem Anspruch auf Steuererstattung ein Vermögenswert zukomme, hindere das die Zuordnung ihrer Auszahlung als Einkommen im Sinne des § 76 Abs. 1 BSHG nicht, weil der Erstattungsgläubiger die zu hoch entrichtete Steuer nicht freiwillig „angespart“ habe, sondern die Steuererstattung nicht früher hätte erhalten können. Damit sei die Steuererstattung eine einmalige Leistung, und damit nicht als Vermögen zu qualifizieren.
Der Rechtsauffassung des BVerwG kann nicht gefolgt werden, soweit die Steuererstattung als einmaliges Einkommen qualifiziert wird.
Das BVerwG leugnet im Grundsatz nicht, dass die Steuererstattung Vermögen darstellt. Es bewertet eine solche Erstattung aber deshalb als Einkommen, weil die zu hoch entrichtete Steuer nicht freiwillig „angespart“ wurde. Diese Differenzierung überzeugt nicht.
Es ist kein Grund ersichtlich — und vom BVerwG im Übrigen auch nicht genannt — weshalb solche dem Inhaber einer bereits bestehenden aber noch nicht erfüllten Forderung nur dann als Vermögen angesehen werden soll, wenn es freiwillig angespart wurde. Zudem kann (zumindest) ein Teil einer Steuererstattung „freiwillig angespart“ sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Eintragung eines Freibetrages bewusst nicht beantragt oder eine Steuerklassenminderung nicht vorgenommen wird, obwohl der Steuerzahler weiß, dass eine Steuerentlastung damit verbunden wäre und deshalb eine höhere Steuererstattung zur Folge hat.
Auch in der Literatur wird die Rechtsauffassung des BVerwG nicht geteilt (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, § 11 Rdnr. 18 und Münder u.a., SGB II, § 11 Rdnr, .
Die Einkommensteuererstattung ist daher Vermögen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II.